Veranstaltung

In Face of Nature

22. Oktober 2009, 20:00
Filmpräsentation

Videostill aus Andrea Polli: Ground Truth, USA 2008

Dieses Programm mit historischen und zeitgenössischen Kurzfilmen untersucht die Relativität der Natur- und Landschaftswahrnehmung. Die grundlegende Instabilität des (medialen) Sehens und Hörens wird zum einen auf die Subjektivität der menschlichen Sinne zurückgeführt, andererseits werden die Grenzen wissenschaftlicher Erfassung reflektiert: mit welchen technischen Mitteln auch immer erstellt, unser Bild von Natur und Landschaft bewegt sich nie außerhalb der Fantasie und kulturell geprägter Vorstellungen. Vor diesem thematischen Hintergrund changieren die Filme und Videos in In Face of Nature zwischen streng strukturellen Verfahren, surrealen Ortsbeschreibungen sowie der dokumentarisch-experimentellen Auseinandersetzung mit einer von Atomkatastrophen und Klimawandel bedrohten Welt.

 

Die Filme im einzelnen:

I. E. [site 01 – isole eolie]
Lotte Schreiber, A 2004, Video, 8' "Kurz taucht der Stromboli auf, wie von einem Blitz aus der Dunkelheit gehoben, in der er wieder verschwindet. Dann nähern wir uns den Äolischen Inseln, in deren filmischem Abbild Bewegung und Stillstand, die Materialität von Super-8 und Video aufeinanderprallen. In dem Raum, der durch diese Vermessung mit der Kamera entsteht, wird die Landschaft als subjektive sinnliche Erfahrung, aber auch als ästhetischer Gegenstand der Abbildung untersucht." (Barbara Pichler)

7/78 Tree again
Kurt Kren, A 1978, 16mm, 4'
Kurt Krens erster Film in den USA, in Einzelbildschaltung auf ausdatiertem, sehr empfindlichen Infrarotmaterial und über einen Zeitraum von 50 Tagen gedreht. Im Zentrum gleichbleibender Einstellungen: ein Baum auf einer Wiese in Vermont. Kren ließ zwischen den belichteten Kadern einige unbelichtet; er kurbelte den Film immer wieder zurück und belichtete nach und nach die zuvor übersprungenen Stellen, jedesmal unter anderen Licht- und Wetterbedingungen. So entstand ein faszinierendes Bildgewitter, in welchem sich verschiedene Zeiten und Naturzustände ineinanderschieben und scheinbar auflösen.

Printer Light Play
Arthur & Corinne Cantrill, AUS 1978, 16mm, 6'
Ein junger Mann hält eine Farbskala, hinter ihm an der weißen Wand ein gerahmtes Landschaftsbild. Die auf die fotografische Abbildung von Kunstwerken anspielende Versuchsanordnung dient einer Übung in visueller Wahrnehmung: gemäß den nummerischen Informationen einer weiblichen Stimme wird die Filterung des Filmbildes verändert, die Szene erhält einen mal mehr, mal weniger starken Farbstich. Nach kurzer Zeit erscheint es nahezu unmöglich einzuschätzen, welche der vielen Farbskalierungen der getreuen Abbildung der Wirklichkeit tatsächlich entspricht.

Lantouy
Isabell Spengler & Daniel Adams, D 2006, Video, 7'
Bilder wie Seifenblasen: ephemer, durchsichtig und zugleich farbig schillernd. Die Aufnahmen zu Isabell Spenglers und Daniel Adams Video entstanden im sagenumwobenen Lantouy in Südfrankreich. "Während wir noch damit beschäftigt waren, die fünfzig Schichten unserer nebulösen Unterröcke zurechtzuzupfen und die filigranen Saiten unserer bescheidenen Musikapparate zu sortieren, krochen wir unbeholfen durch die rauhen und zuckerüberzogenen Gebirgstunnel auf dem Weg nach Lantouy, als uns plötzlich Feenstaub Augen und Ohren dermaßen verhätschelte, dass wir direkt ins Zentrum unseres unbekannten Bestimmungsortes gebeamt wurden." (Lantouy, 11.August 2005).

Sky Light
Chris Welsby, UK 1988, 16mm, 26'
Filmstill aus Chris Welsby: Sky Light, UK 1988
Sky Light stellt Chris Welsbys eindringliche Antwort auf die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 dar. Die elegischen Bilder eines Baches werden von zerklüfteten Felsen in schneeverwehter Landschaft und von Wolkenformationen vor blauem Himmel abgelöst. Mit zunehmender Dauer des Films verdichten sich Montage und Soundtrack zu einer alarmierenden Stimmung, immer wieder durchdrungen vom Knacken eines Geigerzählers.

Ground Truth
Andrea Polli, USA 2008, Video, 8'
Andrea Polli begleitet Atmosphärenforscher, Meteorologen und Wetterbeobachter bei ihrer Arbeit am Südpol. Kurze Statements und Interviewpassagen werden durch dokumentarische Aufnahmen der kargen Landschaft und der widrigen Wetterverhältnisse ergänzt. Ground Truth geht der Frage nach, welche Wahrheiten sich hinter der empirischen Interpretation der Klimaveränderungen verbergen, inwiewenig die gesammelten Daten garantieren, das komplexe System der Vorgänge wirklich verstehen zu können.

bellevue
Michaela Schwentner, A 2007, Video, 9'
Videostill aus Michaela Schwentner: bellevue, A 2007
"Schnee, Nebel, Wolken – und mittendrin ein kaum erkennbares Bergmassiv. Oder besser: Weißes Rauschen, aus dem allmählich Konturen hervortreten und wieder verschwinden, wie Irrlichter in einem digitalen Bildnebel. [...] Das Ausgangsmaterial zu Michaela Schwentners bellevue sind über Monate gesammelte Webcam-Aufnahmen des Großglockners. Begleitet von einem ambient-artigen Säuseln, das Schwentner aus der direkten Umwandlung der Bild- in Tondateien gewonnen hat, klärt und verunklärt sich die Vision in einem fort. Als wolle der millionenfach gesehene und fotografisch reproduzierte Berg seine Identität nicht so einfach preisgeben; ja als berge die scheinbar banale Wetterpanorama-Aufnahme eine Art Schlüssel zum Verschwinden der vermeintlich unveränderlichsten, naturgegebenen Dinge." (Christian Höller)