Guy Ben-Ner: Flying Lessons
Zum Glück hat Guy Ben-Ner anders als im Titelmotiv der Ausstellung keine Bruchlandung gehabt, aber wir mussten unsere eigenen "Flying Lessons" lernen, weil der Künstler seinen Flug verpasst hat und somit nicht mehr rechtzeitig zum Termin des Künstlergesprächs in Oldenburg eintreffen kann. Daher können wir Ihnen leider kein Gespräch mit Guy Ben-Ner über sein Werk anbieten, werden aber ersatzweise die Filme vorführen, die in der Ausstellung selbst nicht zu sehen sind und über die der Künstler heute Abend auch gesprochen hätte. Das wissenschaftliche Team des Edith-Ruß-Hauses für Medienkunst wird dazu noch einmal in das Werk Ben-Ners einführen und steht für Rückfragen und Gespräche zur Verfügung.
Household (2001) ist Ben-Ners Adaption des Films Ein zum Tode Verurteilter ist entkommen (Un condamné à mort s´est échappé)von Robert Bresson (1956). Dessen Geschichte eines Gefangenen, der auf spektakuläre Weise aus den Fängen der Nationalsozialisten flieht, verlegt Ben-Ner allerdings in die absurde Situation, dass er unter dem Gitterbett, seines Sohnes gefangen ist und mit einer Reihe absurder Werkzeuge und Handlungen seine Befreiung organisiert.
Wild Boy (2004) bezieht sich ebenfalls auf einen Film als Vorlage. Hier setzt Ben-Ner Francois Truffauts Der Wolfsjunge (L´enfant sauvage) um, das in der Wildnis aufgewachsene Kind wird dabei von seinem Sohn Amir gespielt, die Rolle des Arztes Jean Itard übernimmt Ben-Ner. Er greift damit auch die reale private Situation auf, in der er sich zu dieser Zeit zu Hause um die Erziehung seines Sohnes kümmern musste. Als Adaption von Truffauts Film beinhaltet Wild Boy karikierende Elemente. Es ist dennoch insgesamt eine bedrückende Studie über elterliche Macht und die Sozialisation eines Kindes.
Treehouse Kit (2005) war Ben-Ners Werk als Vertreter Israels auf der Biennale von Venedig 2005. Neben der Installation eines Baumes aus Möbelteilen lief der Film, in dem Ben-Ner als Gestrandeter den praktischen Gebrauch seiner Skulptur zeigt. So entsteht aus dem Baum nach und nach ein komplettes Zimmer mit Bett, Stuhl, Tisch und Sonnenschirm, aus denen die Skulptur im künstlerischen Prozess ursprünglich einmal entstanden ist. Der Künstler bleibt in der Isolation, in der er gestrandet ist, hat sie sich aber wohnlich zivilisiert.
Alle drei Filme zeigen noch einmal sehr pointiert Ben-Ners humorvollen, ironischen, aber auch sehr gesellschaftskritischen Ansatz und stellen eine gute Ergänzung zu den Werken dar, die in der Ausstellung zu sehen sind. Zu den Hintergründen, Intentionen und Auswirkungen der Arbeiten Ben-Ners können wir hoffentlich annähernd ähnlich profunde Auskünfte geben wie der Künstler selbst und würden uns freuen, Sie heute Abend im Edith-Ruß-Haus begrüßen zu dürfen.